Vertrackte Situation nach dem achten Lauf

Wir hätten an dieser Stelle gerne die spannende Meisterschaftssituation analysiert. Aufgrund einer noch ausstehenden Berufungsverhandlung beim DMSB (Deutscher Motor Sport Bund), die die Tabellenspitze unmittelbar betrifft, erklärt Michael Bork, VLN Leiter Sport, die vertrackte Situation.

Herr Bork, bitte fassen Sie die Vorkommnisse nach dem achten VLN-Lauf kurz zusammen.

Nach dem Rennen gab es beim 50. ADAC Barbarossapreis zwei technische Proteste. Diese betrafen den siegreichen Manheller-BMW mit der Startnummer 492 sowie den BMW des Pixum Team Adrenalin Motorsport mit der Nummer 490. Die Proteste waren wechselseitig, Adrenalin gegen Manheller und umgekehrt. Und es handelte sich um zwei Teams, die in der VLN um die Meisterschaft kämpfen.

Worum ging es im Einzelnen?

Adrenalin warf Manheller eine unzulässige Bearbeitung der unteren Motorraumabdeckung vor. Manheller beanstandete Teile im Bereich der Radaufhängung am Adrenalin-BMW.

Der Protest gegen Manheller ging durch …

Ja. Die Technischen Kommissare haben festgestellt, dass das Fahrzeug in diesem Bereich nicht dem Reglement entsprach. Infolge dessen wurde die #492 dann von den Sportkommissaren disqualifiziert. Das Team hat die Bestrafung akzeptiert.

Die unerlaubte Modifikation am Manheller BMW war für den Mitbewerber offenbar zu erkennen. Wieso ist da nicht schon jemand vorher drauf aufmerksam geworden? Zum Beispiel bei der Technischen Annahme.

Bei der Technischen Abnahme vor einem Rennen erfolgt primär die Überprüfung des Gesamtzustandes und der sicherheitsrelevanten Einbauten und Einrichtungen der Fahrzeuge, sowie der persönlichen Sicherheitsausrüstungen der Fahrer wie Helm, HANS-System und feuerfeste Bekleidung. Viel mehr ist uns da bei den komplexen und umfangreichen technischen Bestimmungen und Reglements der verschiedenen Fahrzeugklassen nicht möglich – die Technische Abnahme würde ansonsten bei 160 Fahrzeugen einfach zu lange dauern.

Trotzdem sind nicht alle Fahrzeuge gleich „faul“. Vor dem ersten Rennen geht beispielsweise jeder Produktionswagen auf den Leistungsprüfstand. Die wichtigsten Teile werden anschließend von VLN-Technik verplombt, so dass an den maßgeblichen Bauteilen im Motorumfeld nichts mehr verändert werden kann.

Die Möglichkeiten zu betrügen sind dennoch vielfältig. Und da weite Teile des Reglements auf dem entsprechenden Serienmodell basieren, auch sehr komplex. Kein Technischer Kommissar kann alle potenziellen Serienfahrzeugen en détail kennen, um eventuell nicht erlaubte Veränderungen auf den ersten Blick zu erkennen.

Im Übrigen sind die Bewerber und Fahrer nach dem Sportgesetz dazu verpflichtet, nur den Reglements und den jeweiligen Technischen Bestimmungen entsprechende Fahrzeuge bei der Technischen Abnahme vorzuführen und im Wettbewerb einzusetzen bzw. an den Start zu bringen.

Was passierte bei dem Protest Manheller vs. Adrenalin?

Jeder Protest ist von den Sportkommissaren anhand im Sportgesetz festgelegter Kriterien auf seine Zulässigkeit zu prüfen. Hierbei stellten die Sportkommissare einen Formfehler fest. Ein Protest kann nur von einem Bewerber eingelegt werden, und nur der Bewerber kann einen Protest unterschreiben. Im Fall Manheller hatte der Fahrer Carsten Knechtges unterschrieben.

Ist es nicht kleinlich, einen Protest aufgrund eines Formfehlers abzuweisen?

Das mag auf den ersten Gedanken so klingen. Aber Regeln sind nun einmal dazu da, eingehalten zu werden. Die Sportkommissare hatten keine Möglichkeit den Protest anzunehmen und mussten den Protest als unzulässig zurückweisen.

Trotzdem wurde auch das Adrenalin-Fahrzeug disqualifiziert …

Richtig, denn parallel zur formellen Prüfung der Zulässigkeit des Protestes hatten die Technischen Kommissare bereits mit der Untersuchung begonnen. Hierbei stellten sie einen Verstoß gegen das technische Reglement fest. Aufgrund dieser Feststellungen wurde anschließend auch die #490 von Adrenalin-Motorsport disqualifiziert.

Wie kam es dazu, dass die Untersuchung bereits begonnen hatte?

Das ist bei der VLN normal und der zur Verfügung stehenden Zeit geschuldet. Mitunter gibt es mehrere Nachuntersuchungen und Proteste, die möglichst zügig und zeitgleich abgearbeitet werden. Wir haben ja eine Vielzahl an Technikern vor Ort, so dass viele Prozesse parallel ablaufen. Als den Sportkommissaren dann das Ergebnis der technischen Untersuchung mitgeteilt wurde, waren sie nach dem Sportgesetz dazu angehalten, von Amts wegen tätig zu werden und eine Straf-Entscheidung zu verfügen.

Adrenalin hat gegen die Entscheidung der Sportkommissare Berufung angekündigt. Ist die Berufung mittlerweile beim DMSB eingelegt worden?

Ja. Das Team hatte hierfür 96 Stunden Zeit. Nach meinem Kenntnisstand wurde die Berufung von Adrenalin wohl fristgerecht beim DMSB eingelegt.

Wie ist die Berufung begründet?

Das ist mir nicht bekannt. Die weitere Bearbeitung des Verfahrens ist jetzt ausschließlich Sache des DMSB-Berufungsgerichts. Da werden wir als VLN nicht im Vorfeld über Details informiert, weil wir als Veranstalter der VLN-Rennserie ja auch mit betroffen sind. Über das Ergebnis bekommen wir dann schon Information vom DMSB, sobald ein Urteil gefällt ist.

Wann ist die Verhandlung angesetzt? Wird die VLN beim Finale einen Meister küren können?

Ich habe mich unmittelbar nach VLN 8 mit den Verantwortlichen des DMSB in Verbindung gesetzt. Man hat mir zugesichert, den Vorfall mit Priorität zu behandeln. Mittlerweile wurde uns mitgeteilt, dass voraussichtlich am Donnerstag vor dem Rennen die Verhandlung stattfinden wird.

Wie weitreichend waren die Veränderungen an den Fahrzeugen? Lag ein deutlicher Wettbewerbsvorteil vor?

Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ein möglicher Wettbewerbsvorteil hat für die Sportkommissare bei der Entscheidungsfindung keine Rolle zu spielen. Der Artikel 1.3.3 des Internationalen Sportgesetz der FIA (ISG) sagt aus, dass es unerheblich ist, ob bei einem technischen Verstoß ein Wettbewerbsvorteil entstanden ist oder nicht, weil bei einer festgestellten Nichtübereinstimmung eines Fahrzeuges mit den technischen Bestimmungen das Fehlen eines Wettbewerbsvorteils niemals als Verteidigung angesehen werden kann.

Kleine Veränderungen können große Auswirkungen haben. Und daher kann und sollte sich bei einem Technischen Protest niemand anmaßen, zu entscheiden, ob ein Vorteil vorgelegen hat oder nicht. Die Sportkommissare sind angehalten, stets Strafen auszusprechen, wenn eine Regelwidrigkeit festgestellt wurde. Bei technischen Verstößen ist die Regelstrafe nun mal die Disqualifikation des betroffenen Fahrzeugs.

Soweit die Fakten. Was ist Ihre persönliche Einschätzung der Situation?

Als Renndirektor muss ich sagen, dass ein Protest ein legitimes Rechtsmittel für alle Teilnehmer ist. Wenn ein Teilnehmer bei einem gegnerischen Fahrzeug eine Regelwidrigkeit vermutet, ist es sein gutes Recht, dagegen einen Protest einzulegen.

Aus der Sicht des Leiters Sport der VLN und als Racer ist es jedoch nicht schön, wenn wir in der entscheidenden Phase der Meisterschaft kurz vor dem Saisonfinale in so eine Situation hineingeraten. Mein Herz schlägt für den Motorsport. Ich wünsche mir eine Meisterschaftsentscheidung mit fairen und packenden Kämpfen auf der Rennstrecke und nicht am „grünen Tisch“ der Sportgerichtsbarkeiten.