„Die Teilnehmer erwarten von uns, dass wir sie professionell behandeln und betreuen“

Michael Bork, seit dem 1. Juli 2017 Leiter Sport und Renndirektor der VLN, über die Modernisierung und Finanzierung des Breitensports, die Sicherheit auf der Nordschleife und die Zusammenarbeit mit dem DMSB.

Wofür entwickelt Michael Bork Leidenschaft? Für welche Ideen, Überzeugungen, Aufgaben brennt der Leiter Sport der VLN?
Allgemein entwickle ich eine große Leidenschaft für den Motorsport – und speziell für die VLN. Die VLN ist eine fantastische Langstrecken-Rennserie, die über die Jahre und Jahrzehnte organisch toll gewachsen ist. Viele andere Rennserien sind gekommen und wieder verschwunden, die VLN ist immer noch da. Sie läuft in ihrer 42. Saison, ohne eine Unterbrechung. Und die VLN ist erfolgreich, so erfolgreich wie nie zuvor, sportlich und wirtschaftlich. Damit sie auch in Zukunft weiter erfolgreich sein kann, muss sich die VLN allerdings, das ist meine Überzeugung, der Zeit anpassen, sie muss sich modernisieren. In ihrem Kern ist die VLN eine Breitensportserie, und mir und meinen Kollegen in der Führung ist es sehr wichtig, dass sie eine Breitensportserie bleibt. Dafür müssen wir die VLN aber in bestimmten Bereichen weiter professionalisieren.

Breitensport und Professionalisierung – wie geht das zusammen?
Die Begrifflichkeiten sind vielleicht nicht ganz ideal, mir fällt in diesem Kontext aber kein besseres Wort für „Professionalisierung“ ein. Breitensport ist Amateursport, keine Frage. Ich kann diejenigen gut verstehen, die unsere Bestrebungen, die VLN weiterzuentwickeln und mehr zu professionalisieren, kritisieren. Aber – die VLN mit neun Rennen auf der Nordschleife zu organisieren und durchzuführen, kostet ganz, ganz viel Geld. Die Miete der Strecke und der Streckenmodule wie Boxenanlage, Fahrerlager und Parkplätze, die Ausgaben für alle Sicherheitsmaßnahmen, die Abgaben für Versicherungen, die erforderlichen Aufwendungen für Personal – das alles ist zu einem riesigen Kostenapparat angewachsen. Wenn wir Breitensport wollen, müssen wir dafür sorgen, dass wir ihn in der Größen- und Qualitätsordnung der VLN auch finanzieren können. Dafür haben wir eine spezifische Nenngeldstruktur geschaffen. Neben den klassischen Amateurteams, die früher einmal das Gros des Teilnehmerfeldes bildeten, lassen wir professionelle oder semiprofessionelle Teams mit großen Autos, den GT3 zum Beispiel, zu. Auch die Dienstleister-Teams, die ausschließlich auf Paydriver setzen und heute jeweils bis zu zehn Autos und mehr an den Start bringen, sind in diesem Gefüge sehr wichtig. Diese Teams bezahlen deutlich mehr Nenngeld, damit die privaten Teams mit den kleineren Autos weiterhin fahren können. Als flankierende Maßnahme müssen wir natürlich auch endlich das Marketing professionalisieren. Das ist die eine Seite der Professionalisierung.

Und die andere?
Die VLN ist eine Rennserie, die bei der FIA angemeldet ist. Sie hat zwar einen nationalen Status, ausländische Fahrer sind aber punktberechtigt. Dadurch wird die VLN mit einer internationalen Rennserie gleichgestellt. Deshalb benötigen wir auch die internationale Streckenlizenz der FIA. Deren Gültigkeit läuft im nächsten Jahr aus, und die Strecke muss neu abgenommen werden. Die FIA schaut natürlich – gerade seit dem Unfall mit einem getöteten Zuschauer im Jahr 2015 – sehr genau auf das, was in der VLN und auf der Nürburgring Nordschleife passiert. Es geht um die Sicherheit und in diesem Kontext eben auch um die Frage, ob bestimmte Fahrzeuge, ich denke da an die GT3, weiterhin auf der Nordschleife fahren dürfen. Wir wollen, dass die Struktur des Starterfelds, wie wir sie momentan haben, erhalten bleibt.

Was müssen Sie dafür konkret tun?
Im sportlichen Bereich geht es darum, wie wir die Rennen der VLN managen, wie wir sie beobachten und kontrollieren, wie wir Fahrverstöße erkennen und ahnden können. Bekanntlich haben wir entlang der Nordschleife keine stationären TV-Kameras, eine Videovollüberwachung gibt es nur vom Grand-Prix-Kurs. Deshalb sind wir auf die Onboard-Aufnahmen aus den Rennautos und auf die Meldungen unserer Sportwarte an der Rennstrecke angewiesen. Die Arbeit der Sportwarte müssen wir weiter professionalisieren, wir müssen sie noch besser schulen und für die Aufarbeitung von Rennunfällen und Fahrverstößen fit machen. Bisher war es so, dass die Sportwarte nur den Ausfall eines Fahrzeugs aufgrund eines Unfalls melden. Als Renndirektor will ich aber wissen: War das ein Unfall ohne Fremdverschulden? Hat es eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug gegeben? Welches war dann das andere Fahrzeug? Ist der Unfall aus einer normalen Rennsituation heraus passiert? Oder war er Folge eines riskanten oder gar unsportlichen Manövers? Diese Informationen brauchen wir, um, gegebenenfalls, Strafen zu verhängen. Wir müssen und wollen die Disziplin der Fahrer auf der Strecke erhöhen. Zudem entwickeln wir auch die GPS-Überwachung weiter. Bislang hat uns ein Sportwart von der Strecke gemeldet, wenn ein Teilnehmer unter gelber Flagge überholt hat. Ab dem dritten Saisonrennen, hoffe ich, sind wir in der Lage, auch per GPS-System zu kontrollieren, ob ein Fahrer in einer Gelbzone überholt hat.

Wie nehmen Sie sich als Sportleiter und Renndirektor selbst wahr?
Es gibt Leute, die meinen, der Bork wolle aus der VLN eine Art Langstrecken-DTM machen. Die VLN wird niemals die Organisationsstrukturen einer DTM annehmen, das ist doch klar. Aber wenn ich Erfahrungen aus anderen Rennserien mitbringe, aus den ADAC GT Masters oder der DTM etwa, dann bedeutet das, dass ich mir dort bestimmte Abläufe genau anschaue und mir Gedanken mache, ob und wie man das eine oder andere in der VLN implementieren kann. In vielen Bereichen der VLN gilt es, Prozesse zu verbessern, bei der Dokumentenabnahme, bei der Technischen Abnahme, bei der Streckensicherung, in der Race-Control, in der Rennleitung. Der Motorsport wird auf der Seite der Aktiven heute viel professioneller betrieben als vor zehn oder 20 Jahren, auch von denen, die in der VLN unterwegs sind. Die Teilnehmer erwarten doch auch von uns, dass wir sie professionell behandeln und betreuen. Diejenigen, die schimpfen, sind die, die alten Zeiten nachtrauern. Wir können das Rad aber nicht zurückdrehen, auf der Nordschleife nicht, in der VLN nicht, im Motorsport nicht. Wir haben die Profiteams mit den GT3 und anderen größeren Autos am Start, und wir brauchen sie. Wir haben auch die Amateure mit den kleineren Fahrzeugen am Start, und die brauchen wir auch. Den Spagat, beiden Fraktionen gerecht zu werden, müssen wir hinkriegen.

Es wird kolportiert, Sie würden autoritär auftreten, verfolgten eine „knallharte Linie“.
Ich vermute mal, solche Aussagen sind durch die Diskussion, die wir zu Beginn des Jahres mit den Teams der V4 hatten, aufgetaucht. In der Tat hat die Kommunikation nicht so funktioniert, wie sie hätte funktionieren müssen – auch von unserer Seite nicht. Wir haben die Themen mit den Vertretern der V4-Fraktion in intensiven Gesprächen erörtert, aber wir sind, wenn es um das technische und das sportliche Reglement geht, nun mal nicht bei Wünsch-dir-was. Daher war es notwendig, irgendwann ein Machtwort zu sprechen. Natürlich sagen manche, der Bork sei nicht der Richtige. Diese Leute kennen mich, meine Ideen und Vorstellungen noch nicht. Jedem kann ich es eh nicht rechtmachen, das ist immer so. Die VLN ist mit ihrer politischen Gemengelage ein ziemlich schwieriges Terrain. Ich bin sehr erfahren, schaue mittlerweile auf 30 Jahre als Sportkommissar und Rennleiter bei nationalen und internationalen Automobilsport-Veranstaltungen zurück. Und ich bin ein sehr gewissenhaft und akribisch arbeitender Mensch. Aber es geht nicht um mich allein, ich kann die komplexen Aufgaben des Sportleiters und Renndirektors in der VLN nur mit einem Team hervorragender und zuverlässiger Leute bewältigen. Dieses Team will ich um mich herum aufbauen. Man sollte uns jetzt auch bitte die Zeit geben, unsere Arbeit zu machen und Verbesserungen vorzunehmen, und nicht sofort jede neue Idee, die wir haben, bereits im Ansatz kritisieren und in Frage stellen.

Das komplette Interview, geführt von Egon Zeimers, gibt es im VLN-Fanguide. Auf 92 Seiten bietet die 2018er-Ausgabe für alle Fans der Serie einen umfassenden Überblick, zeigt alle Autos, Interviews und vieles mehr. Zum Preis von 5 Euro ist das Hochglanzheft am VLN-Fanshop im Fahrerlager erhältlich.