Warum Stippler/Fjordbach wohl kein Meister werden

Frank Stippler und Anders Fjordbach haben nicht nur das Auftaktrennen der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring 2016 im Phoenix-Audi R8 LMS gewonnen. Der routinierte Deutsche und der junge Däne sind gleichzeitig auch die Leader in der Meisterschaftstabelle der VLN.
Dass der erste Sieger des Jahres die Führung in der Meisterschaft übernimmt, ist in allen Rennserien eine logische Folge, in der VLN jedoch keine Selbstverständlichkeit. Denn: In der VLN ist die Anzahl der Teilnehmer, die in der jeweiligen Klasse besiegt wurden, für die Punktevergabe in der Meisterschaftswertung ausschlaggebend.
racing news erklärt, wieso es höchst unwahrscheinlich ist, dass Stippler und Fjordbach auch nach zehn Rennen noch die Nase in der Meisterschaft vorne haben werden, und welche Teilnehmer stattdessen deutlich bessere Aussichten auf den Titel haben.

Das grundlegende Wertungsprinzip
Je mehr Teilnehmer in einer Klasse an den Start gehen, umso mehr Punkte erhält der Klassensieger in der VLN. Punkte, die in einer speziellen Tabelle genau definiert sind.
Ein Beispiel aus dem Auftaktrennen: Stippler und Fjordbach siegten in der Klasse SP9 (dort starten die Autos mit den Startnummern #2 bis #50), Oliver Schumacher und Ernst Berg gewannen im Peugeot RCZ die SP2T (#378 bis # 392). Während sich Stippler und Fjordbach in ihrer Klasse gegen 29 Konkurrenten durchsetzten, hatten es Schumacher und Berg mit lediglich zwei Kontrahenten zu tun. So kassierte das Phoenix-Duo für seinen Sieg 9,83 Punkte für die Meisterschaftswertung, die Peugeot-Piloten hingegen bekamen nur 8,33 Punkte, was für die beiden nach dem ersten Saison-rennen Rang 70 in der Meisterschaft bedeutet.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig große Starterfelder in der eigenen Klasse für den Kampf um die Meisterschaft sind. Entscheidenden Einfluss haben zudem die Streichresultate: Nur acht der zehn Läufe werden für die Meisterschaftswertung berücksichtigt.

Die Klasse SP9 – ein Phänomen
Mit 30 Startern war die SP9 beim VLN-Auftakt 2016 die mit Abstand am stärksten besetzte Klasse. Für die ers-ten Rennen der Saison ist das nichts Ungewöhnliches, bereiten sich doch zahlreiche GT3-Teams in den VLN-Läufen auf das 24h-Rennen auf dem Nürburgring vor. Nach dem Eifelmarathon gehen die Starterzahlen in der SP9 dann erfahrungsgemäß stark zurück – und somit auch die Chancen, in dieser Klasse ausreichend viele Punkte für die Meisterschaft zu ergattern.
Das weitaus größere Problem im Kampf um den VLN-Titel ist jedoch die enorme Leistungsdichte in dieser Klasse – Seriensieger sind in der SP9 in der Regel nicht zu finden. So überquerten in den neun Rennen des vergangenen Jahres sieben verschiedene GT3-Teams als Sieger die Ziellinie.
Somit gibt es zwei gewichtige Gründe, die gegen einen Meister aus der SP9 sprechen.

Cup5-Klasse – groß, aber hart umkämpft
Rein zahlenmäßig hätte wohl der BMW M235i Racing Cup – die Cup5-Klasse (#666 bis #700) – das größte Potenzial, den VLN-Meister zu stellen. Seit ihrem Debüt 2014 erhält die Klasse von Jahr zu Jahr mehr Zulauf. So war sie mit im Schnitt 19 Startern bereits im Vorjahr die am besten besetzte Klasse; auch beim Auftakt 2016 standen wieder 19 BMW M235i Racing Cup am Start. Und mit einem Abfall der Starterzahlen ist auch nach dem 24h-Rennen nicht zu rechnen.
Das Problem in der Cup5-Klasse ist aber die extreme Ausgeglichenheit. Im Vorjahr feierten fünf unterschiedliche Teams den Klassensieg, auf dem Siegertreppchen jubelten immer wieder andere Piloten. Um in dieser Klasse als VLN-Champion in Frage zu kommen, sollte ein Platz auf dem Siegertreppchen jedoch in acht der zehn Rennen – zwei Ausrutscher sind aufgrund der beiden Streichresultate drin – Minimalvoraussetzung sein. Und das ist in dieser Klasse alles andere als leicht.

V5-Klasse – vielversprechend, aber trügerisch
Mit 14 Startern gehörte die V5 (#444 bis #470) beim Auftakt 2016 zur drittstärksten Klasse. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, dass auch hier das Teilnehmerfeld bald kleiner werden wird. Der Grund: die Regelung der Nordschleifen-Permit. Die V5 ist die leistungsstärkste Klasse, in der Fahrer mit einer B-Lizenz startberechtigt sind. Haben diese die nötige Rundenzahl zusammengefahren, um eine A-Lizenz zu beantragen, werden viele von ihnen in eine größere Klasse wechseln. Dass beim Auftakt in der V5 viele „Permit-Kandidaten“ an den Start gingen, ändert also nichts an der Tatsache, dass die Klasse auch schon in den Vorjahren zu den eher schwach besetzten zählte. Kleiner Hoffnungsschimmer: In der Saison 2011 gewannen Carsten Knechtges, Manuel Metzger und Tim Scheerbarth im BMW Z4 in der Klasse V5 die VLN-Meisterschaft.

Cup3-Klasse – Außenseiterchancen
Zehn Teilnehmer standen bei der Rennpremiere der Cayman GT4 Trophy by Manthey-Racing am Start. Vieles spricht jedoch dafür, dass diese Klasse im Laufe der Saison mit größeren Teilnehmerfeldern aufwarten wird. Doch auch in der Cup3-Klasse (#940 bis #980) dürfte es für ein Team schwer werden, eine dominierende Rolle einzunehmen – wie in der BMW Cup-Klasse ist auch hier das Teilnehmerfeld wohl sehr ausgeglichen, es sind immer wieder andere Sieger zu erwarten.

V4- und V6-Klasse – die vielleicht heißesten Anwärter
Im Vorjahr bereits bewies Stefan van Campenhoudt, dass es möglich ist, die V4 (#474 bis #493) zu dominieren. Der Belgier fuhr von Rennen zu Rennen immer wieder auf den ersten Platz, musste lediglich zweimal einem anderen Team den Vortritt lassen. Mit zehn Startern beim Auftaktrennen könnte es für die Teams auch 2016 möglich sein, mit ähnlichen Leistungen wie denen van Campenhoudts ein Wörtchen im Kampf um den VLN-Titel mitzureden. Gleiches gilt für die V6 (#394 bis #443). Hier tobt der ewige Porsche-Kampf der vergangenen Jahre: 911 Carrera gegen Cayman.

SP7-Klasse – ein Geheimtipp
Die Starterzahlen in der SP7 (#56 bis #100) sind erfahrungsgemäß konstant hoch – im vergangenen Jahr war sie mit 14 Startern im Schnitt die zweitstärkste der Saison. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass sich den neun Startern beim Auftakt im Laufe der Saison noch weitere anschließen werden. Und noch eine Zahl aus der Vorsaison lässt aufhorchen: Nur drei Teams ließen sich bei den Siegerehrungen der neun Rennen als Klassensieger feiern.

Die Konstanz entscheidet
Aus welcher Klasse der Meister letzten Endes auch kommen mag – eines ist im Kampf um den Titel in der VLN elementar wichtig: die Konstanz. Wem es gelingt, einer Klasse seinen Stempel aufzudrücken, im Optimalfall also acht von zehn Rennen zu gewinnen, ist auf die ganz großen Starterfelder nicht angewiesen. Bestes Beispiel dafür sind die Meister des Vorjahres: Tim und Dirk Groneck. Sie gewannen mit Klassensiegen am Fließband – ihre Klasse, die SP3 (#269 bis #293), gehörte mit im Schnitt neun Startern eher zu den kleineren.