Adam Osieka: „Die VLN ist eine gute, einzigartige Schule“

Es war ein historischer Meilenstein für das Team: Fabian Schiller und Dominik Baumann holten beim siebten Lauf für GetSpeed Performance den ersten VLN-Gesamtsieg in der Geschichte. Erst im zweiten Jahr ist die Mannschaft aus dem Gewerbepark am Nürburgring in der Königsklasse GT3 vertreten, 2019 wechselte man von Porsche zu Mercedes-AMG. Rasend schnell hat sich die Crew um Adam Osieka in den letzten Jahren entwickelt. VLN.de hat mit dem Teamchef und geschäftsführenden Gesellschafter von GetSpeed ein sehr persönliches und offenes Gespräch geführt.

Adam, ausgerechnet beim Höhepunkt eurer bisherigen Teamgeschichte warst Du am Sachsenring beim GT4 Germany-Finale. Hat Dich das sehr geärgert?

Nein, das nicht… Es hat mir eher leid getan, dass ich den Erfolg nicht mit dem Team gemeinsam feiern konnte. Zusammen haben wir über Jahre Rennen bestritten und sehr intensiv auf diesen Erfolg hingearbeitet – und dann bin ich nicht dabei. Schade, dass ich die Jungs nicht in den Arm nehmen konnte. Ich denke, vor Ort wäre auch die eine oder andere Träne geflossen.

Wie hast Du dich beim Zieleinlauf gefühlt?

Das war eine total ungewohnte Situation für mich, nicht dabei sein zu können. Aber, wir haben uns am Sachsenring sehr gefreut. Am Ende war es wichtig zu sehen, dass es auch ohne mich funktioniert. Wir haben dafür über die Jahre die notwendigen Strukturen geschaffen. Das ist ein positiver Aspekt: Das Team funktioniert auch, wenn ich einmal nicht da bin.

Du wirktest in der Sekunde des Triumphes sehr gefasst. Bist du eher ein Kopf oder ein Gefühlsmensch?

Ich bin eher ein Kopfmensch. Warum? Weil wir auf Ziele hinarbeiten. Das ist ja kein Zufall. Wir arbeiten seit sechs Jahren sehr intensiv. Ich war auch als Fahrer selber schon Zweiter und Dritter in der Gesamtwertung, aber dass es uns jetzt mit Mercedes-AMG auf Anhieb gelungen ist, das freut uns natürlich sehr. Klar sind das sehr emotionale Momente. Aber am Ende ist es das Ergebnis harter Arbeit. Uns war vor dem Rennen schon klar, dass wir die Voraussetzungen haben, gewinnen zu können. Die Performance ist da. Natürlich gehört auch immer etwas Glück dazu. Das hatten wir bei dem Rennen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich das alles nicht mache, um Zweiter zu werden.

Den Wechsel von Porsche zu Mercedes-AMG hast Du also nicht bereut?

Auf keinen Fall. Ich hatte mir erhofft, dass wir uns mit Porsche einen ähnlichen Weg hätten erarbeiten können. Das hat leider nicht geklappt. Umso mehr freue ich mich, dass wir den Schritt gemacht haben und damit so erfolgreich sind. Wir werden von AMG wirklich sehr gut unterstützt und kriegen tollen Support.

War dieser Schritt die beste Entscheidung in Deiner beruflichen Laufbahn?

Auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Das zeigen neben dem Sieg auch der zweite und dritte Platz in der VLN sowie die Ergebnisse mit unseren Kunden in anderen Serien, die wir bestreiten.

Gab es auch Bedenken deinerseits im Vorfeld?

Ja klar. Wir hatten uns ja über Jahre hinweg schon etwas aufgebaut. Zudem begaben wir uns bei Mercedes-AMG ja auch in einen Wettbewerb mit renommierten und sehr erfolgreichen Teams wie Black Falcon oder HTP. Ich bin sehr froh, dass der Übergang so schnell und reibungslos gelungen ist. Wir sind auf einem guten Weg, wissend, das wir im Vergleich zu den anderen Mercedes-Teams noch ein kleiner Floh sind.

Wer hat sich eigentlich den Teamnamen ausgedacht?

Das war ich selber. Das war 20 Jahre lang mein anderes Standbein, kreativ zu sein. Für mich war es wichtig, dass der Name eine Aufforderung ist, ein Imperativ. Sich einen Firmennamen auszudenken, ist sehr schwierig. Da war Google sicher einer meiner besten Freunde, um zu sehen, ob ein Name nicht schon zum Beispiel verbrannt ist. Umgangssprachlich übersetzt heißt GetSpeed: Gib Gas. Gib alles. Das ist auch das Motto unseres Unternehmens. GetSpeed – immer Vollgas voraus, egal in welche Richtung. Nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch in der Unterneh-mensentwicklung. Das ist unsere Strategie und Philosophie und immer im Sinne unserer Kunden.

Erinnerst du Dich noch an dein erstes VLN-Rennen als Fahrer?

Ja, sogar sehr gut. Mein erstes Rennen war im Jahr 2005. Schon damals war mein Gedanke, wie wir in der VLN Erfolg haben können. Deswegen haben wir uns irgendwann für ein V5-Auto entschieden, einen BMW M3, weil diese Klasse immer eine Rolle in der Gesamtmeisterschaft gespielt hat. Da wurde ich aber schnell eines Besseren belehrt. Ich habe gemerkt, wie schwierig das ist. Obwohl ich mich für einen guten Rennfahrer gehalten habe, musste ich noch eine Menge lernen. Die VLN hat ihre eigenen Gesetze – und die Nordschleife ohnehin.

Du warst aber dann irgendwann auch erfolgreich…

Ich bin schon ambitioniert und sehr ehrgeizig. Wenn ich etwas mache, dann richtig. Daher komme ich mittlerweile auf 23 Klassensiege. Die meisten in den letzten sechs Jahren mit Porsche. Zu Anfang bin ich auch mit Christopher Mies, Kévin Estre oder Philipp Eng gefahren und habe immer geschaut, dass ich davon nicht zu weit entfernt bin. Ich war auf einem guten Niveau und habe in der Cup-Klasse auch einige Rekorde eingefahren. Mir macht das Rennen fahren nach wie vor sehr viel Spaß.

In dem GT3 hast Du aber schon gesessen…

Ja, das Auto bin schon einige Male gefahren. Unter anderem in Barcelona, Portimão oder Misano. Das hat eine Menge Spaß gemacht, ist aber auch ein Teil meines Jobs. Gerade in Bezug auf unsere Kunden ist es für mich sehr wichtig, sich auf Augenhöhe unterhalten zu können, um die Bedürfnisse unserer Gentlemen-Fahrer zu verstehen und zu erfüllen.

Mit welchen drei Worten würdest Du dich beschreiben? Zielstrebig, diszipliniert und wahrscheinlich für mein Team zu pingelig (lacht).

Wie läuft der typische Arbeitstag im Leben eines Teamchefs ab? Wie ein Sprintrennen. Ich stehe jeden Morgen pünktlich auf, mache mich fertig und starte mit Vollgas und vollem Tank in den Tag. Unser Team ist auf über 30 Mitarbeiter gewachsen und wir werden dieses Jahr mehr als 30 verschiedene Rennen bestreiten. Dazu kommen verschiedene Tests – alles in Europa verteilt. Das bringt jede Menge Arbeit mit sich. Ich habe morgens schon sehr viel zu tun, E-Mails checken, Besprechungen, Termine, schauen, wo es wieder mal brennt, …und bei uns brennt es immer. (lacht) Sind wir gut im Plan, wo gibt es Dinge, die wir noch gar nicht auf dem Schirm hatten? Dazu kommen natürlich die Rennen, die sicherlich immer das Highlight unserer Arbeit sind. Wenn diese dann noch mit Erfolg gekrönt werden, unsere Kunden happy sind, verleiht das sicher Flügel und ist wichtig für den Teamspirit und die Motivation unseres Teams.

Was macht Dir an der Arbeit am meisten Spaß?

Der Motorsport selber. Es ist eine Sportart, in der Leistung gefragt ist und wo Leistung gemessen werden kann. Wir setzen uns einem Wettbewerb aus, der Dinge vergleichbar macht. Ich mag Herausforderungen sehr. Geht nicht, gibt’s bei mir nicht.

Wie oft schaust Du täglich auf dein Handy?

Das ist mein wichtigstes Werkzeug. Das Kommunikationstool Nummer eins. Gespräche, Datenaustausch, fast alles wird darüber gemacht. Das klebt quasi an meiner Hand. Ohne wäre es gar nicht möglich. Egal wo ich bin, ich lade mein Handy ständig auf, weil es sonst morgens um 10 Uhr schon leer wäre.

GetSpeed entwickelt sich rasant. Bist du manchmal selber von dem Tempo überrascht?

Selber habe ich die Wahrnehmung nicht, die typische Betriebsbrille ist sicherlich schuld daran. Persönlich geht mir das alles nicht schnell genug. Wenn ich aber mal zurückblicke und mich an meine Tätigkeit als Geschäftsführer des Nürburgrings erinnere, oder an die ersten Termine mit Vodafone bezüglich Onboards aus den Rennfahrzeugen via Mobilfunknetz – oh ja, da ist tatsächlich in der Kürze der Zeit erschreckend viel Positives passiert, das uns viele nicht zugetraut haben. Die Branche ist jedoch sehr schnelllebig, daher muss man immer wichtige Grundlagen schaffen und weit vorausschauen. Aus sportlicher Sicht haben wir seit 2013 schon einige erfolgreiche Rennen bestritten. In der Cup 2 waren wir sehr oft auf dem Podest. Jedes Mal fühlten wir uns mit den Kränzen wie echte Sieger. Aber der Weg nach ganz oben ist schon noch ein ganz anderer. Wir haben von Tag eins an drauf hingearbeitet. Das langfristige Ziel unseres Unternehmens ist ein gesundes Geschäftsmodell mit funktionierenden Strukturen auf einem soliden Fundament, das breit aufgestellt ist. Wir hätten auch früher schon GT3-Fahrzeuge einsetzen können, die Anfragen gab es. Wir haben aber bewusst gewartet, bis die Strukturen und die Erfahrungen im Team vorhanden sind, um unsere Kunden bestmöglich in allen Belangen bedienen zu können. Hier geht es nicht nur ums Rennen fahren.

Sechs Jahre bis zum ersten Sieg – das haben einige aber nicht geschafft…

Ja, aber mir dauerte das zu lange. (lacht)

Ist Unzufriedenheit vielleicht auch Dein Antrieb?

Ich glaube, andere, erfolgreiche Meuspather-Teams sind da nicht anders. Wenn man sich die VLN anschaut, gibt es dort nicht viele Teams, die wirklich einen Gesamtsieg holen können. Die Masse der VLN bilden eher die kleineren Teams. Und beim 24h-Rennen gewinnen meistens die Teams aus Meuspath. Wenn Du dir die Teamchefs dort anschaust, sind die meisten von denen früher selbst Rennen gefahren und bringen viel Erfahrung mit. Das ist eine wichtige Grundlage, um hier am Nürburgring ein erfolgreiches Team betreiben zu können. Natürlich geht das nicht ohne den notwendigen Enthusiasmus für den Sport. Fleiß und Zielstrebigkeit sind weitere wichtige Grundlagen, um auf der Nordschleife vorne mitkämpfen zu können.

War das der Grund, wieso ihr nach Meuspath gegangen seid?

Es war immer das Ziel. Ich hatte ja bereits in Bonn einen Sitz mit meinem damals noch kleinem Rennsport-Team. Dann ergab sich mit GetSpeed diese Möglichkeit. Aber ich wusste von Beginn an, dass dies auch Probleme mit sich bringt. Die Personalstruktur im ländlichen Bereich und so ein Industriegebiet. Mit den großen Mitstreitern in der Nachbarschaft, die den Personalmarkt leer gefischt haben, bleibt für die kleineren Teams wenig übrig. Das war uns aber bewusst. Die Nähe zum Ring war uns aber wichtiger. Und wir haben schließlich trotzdem Top-Leute gefunden. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, ohne die das Ganze niemals möglich wäre. Jeder im Team ist ein wichtiger Baustein und unverzichtbar.

Die VLN ist ein Stück weit Heimat für GetSpeed. Aber, ihr habt dieses Jahr auch viele neue Serien kennengelernt. Wie hast Du diese Ausflüge erlebt?

Generell wird die VLN häufig unterschätzt. Das, was die Teams in der VLN unter den Gegebenheiten leisten, mit so vielen Autos und Menschen in den Boxen wird völlig unterschätzt. Im Vergleich dazu war die Aufgabe in den anderen Serien viel leichter. Die Strukturen aus den sechs Jahren VLN haben uns sehr geholfen, auf dem Neuland klar zu kommen. Die VLN ist eine gute Schule, die man so in der Form nirgends vorfindet. Alles andere, natürlich abgesehen von dem harten Wettbewerb auf der Strecke, ist jetzt wie ein Fünf-Sterne-Luxushotel und macht uns viel Spaß. Das werden wir in Zukunft neben der VLN auch weiter ausbauen. Leider finden wir in der VLN für unsere Gentlemen-Fahrer keine sinnvolle Fahrereinstufung, in der diese mit einem Pro-Driver als Amateure um Klassensiege kämpfen können. Hier kämpfen sie gleichzeitig gegen Silber/Silber-Fahrer. Das machen andere Rennserien besser.

Was denkst Du, wo seid ihr in zehn Jahren?

Welche Ziele setzt Du dir mit GetSpeed? In zehn Jahren sehen wir uns weiterhin am Nürburgring. Als Top-Dienstleister für unsere Kunden im Premium-Service des Motorsports sowie als Dienstleister für Firmenevents rundum den Nürburgring und den Motorsport. Hoffentlich nicht schon mit Elektroautos. Wir wollen den Bereich für junge, aufstrebende Piloten sowie Gentlemen-Fahrer weiter ausbauen. Da haben wir im Unternehmen starke Grundlagen geschaffen, die diese Fahrer intensiv und professionell betreuen. Paradebeispiel sind Janine Hill und John Shoffner, die sich prächtig entwickeln. Es geht darum, die Fahrer sicher aufzubauen und unsere Erfahrungen weiterzugeben. Auch durch unser StressLevelMonitoring, bei dem wir die Leistungsfähigkeit jedes Fahrers überwachen und ihn somit gezielt an seine Grenzen bringen können. Junge Fahrer genießen bei uns die Grundlagen und die Schule rund um den Motorsport. Hier geht es um viele andere Dinge, als nur mal zu wissen, ob man zu früh oder zu spät bremst. Siege und Erfolge mit unseren Kunden gehören zu unserem Plan genauso dazu, wie ein 24h-Sieg auf dem Nürburgring. Wir verfallen jetzt aber nicht in falsche Hysterie, nur weil wir einmal gewonnen haben. Aber sicher ist, wir geben 2020 mehr Gas denn je. Immer nach dem Motto: GetSpeed!