Henry Walkenhorst: „Irgendwann ist man infiziert…“

BMW-Teamchef Henry Walkenhorst spricht im großen Interview über die VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring und andere Leidenschaften.

Henry Walkenhorst ist BMW-Händler, Teamchef und Rennfahrer in einer Person. Der 53-Jährige leitet neun Autohäuser mit dem Stammsitz der Firma im niedersächsischen Melle. Er ist zudem Teambesitzer von Walkenhorst Motorsport und fährt selber Rennen, in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring glückten ihm bereits acht Klassensiege. Wir haben uns mit ihm über die drei Rollen seines Lebens und all ihre unterschiedlichen und spannenden Facetten unterhalten.

Wie ist die Idee zur Gründung von Walkenhorst Motorsport entstanden?

Ich sage mir immer, wenn Du etwas machen willst, dann mach es richtig. Irgendwann kam die Idee, wir gründen eine eigene Abteilung und machen es professionell. Unser Haus ist auch durch den Motorsport geprägt. Mein Vater ist früher Rallye gefahren. Die meisten Teams in der VLN sind ja mittlerweile sehr gut aufgestellt. Da kommt keiner am Wochenende an, und überlegt, wie er seine Rechnung oder die Reifen bezahlen kann. Dadurch hat sich das letztlich einfach so ergeben.

Wenn Du Dich an die Anfänge erinnerst, welche Hürden waren zu nehmen?

Als Betreiber von Autohäusern hat man es natürlich ein bisschen einfacher. Die Basis ist vorhanden, beginnend bei der Technik mit den Maschinen und Geräten. Deswegen waren die Hürden gar nicht so hoch für mich. Du musst immer kleine Schritte hin bis zur Professionalisierung machen. Wir haben mit zwei bis vier Mechanikern angefangen. Heute sind in der Spitze bis zu 50 Mann im Team. Das ist eine Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinzieht.

Fühltest Du dich sofort zum Teamchef befähigt?

Für mich war das keine große Umstellung. Du hast es im Rennsport genauso mit einem Team zu tun wie im Autohaus. Man arbeitet täglich zusammen, man gewinnt und verliert im Team. Mal verkauft man viele Autos, mal verkauft man weniger Autos. Im Motorsport ist es genauso. Mal hat man Erfolg, mal hat man keinen. Es gibt unvorhersehbare Unfälle. Es ist ja nicht immer nur der Fahrer. Manchmal machen die Jungs, die schrauben, Fehler. Wenn man Erfolg haben will, muss alles funktionieren.

Wie wichtig war und ist die VLN für die Entwicklung von Walkenhorst Motorsport?

Wenn man auf der Nordschleife bestehen kann, kann man auch viele andere Sachen fahren. Was die Jungs da leisten, ist enorm. Die VLN ist eine der anspruchsvollsten Serien, die man überhaupt fahren kann. Alleine aufgrund der vielen Kilometer und Streckenabschnitte. Das ist alles Material mordend. Man sagt, von der Belastung her ist das in Relation zu einem Kilometer auf der Straße ein Verhältnis von eins zu sieben.

Welcher Job ist Dir am liebsten? Teamchef, Rennfahrer oder BMW-Händler?

Meine Basis und mein Hauptjob ist nach wie vor das Geschäft mit den Autohäusern. Rennen fahren, das ist mein Hobby. Und das Team ist mittlerweile bei Niclas Königbauer in sehr guten Händen. Ich bin sehr glücklich mit der jetzigen Konstellation.

Wo würdest Du Walkenhorst Motorsport einordnen? Und was sind die Ziele für die Zukunft?

Im Motorsport ist vieles im Umbruch. Die Werke ziehen sich zurück, es wird mehr auf Privatteams gesetzt, die professionell auftreten. Deswegen kann man keine Ziele für morgen, übermorgen, nächstes Jahr oder in fünf Jahren definieren. Da muss man mit Augenmaß und Vernunft rangehen. Die Ziele für die nächste Saison können wir erst im Oktober, November benennen. Es ändert sich ja auch ständig etwas. Man muss verlässliche Zahlen und Situationen als Teamchef vorfinden. Das ist vor dieser VLN-Saison dank der FIA ein wenig unglücklich gelaufen.

Gerade die Professionalisierung von Serien wie der VLN oder die teilweise hohe Anzahl an GT3-Fahrzeugen im Teilnehmerfeld wird von dem einen oder anderen in den sozialen Medien immer mal wieder angeprangert. Wie siehst Du das als Betroffener?

Ich sehe das nicht als Problem. Die Probleme machen die Menschen, nicht die Autos. Man sollte auf beiden Seiten einfach mehr Rücksicht auf den anderen nehmen. Das ist ja keine Einbahnstraße. Gerade die Kombination Groß und Klein ist für die Zuschauer in der VLN interessant. Das sollten wir beibehalten. Man muss an die Vernunft aller Beteiligten appellieren.

Der Slogan der Walkenhorst-Gruppe lautet: Wir lieben Autos. Was genau liebst Du an diesem Fortbewegungsmittel?

Das kann man mit einem Schlagwort ausdrücken. Die Individualität, die wir damit errungen haben, gerade auch für ältere Menschen oder ländliche Regionen. Ich würde morgen nicht nur Bus oder Bahn fahren wollen. Diese Individualität sollten wir uns auch möglichst lange erhalten.

Dein erstes eigenes Auto war ein…

Man kann es sich fast denken, es war ein BMW. Mein Vater hat mir zum 18. Geburtstag einen gebrauchten 318i in anthrazit-metallic mit kleinen Alpina 15-Zoll-Rädern drauf hingestellt. Das Auto bin ich lange gefahren.

Was ist aus deiner Sicht das schönste Auto, das jemals gebaut wurde?

Der M1, ganz klar. Das war damals schon eine Ikone, ein sehr sportliches Auto, in kleiner Zahl von nur 453 Stück gebaut. Ich hätte auch sagen können 507, aber das war nicht meine Generation. Auch heute ist der M1 für mich noch eines der schönsten Autos überhaupt. Wenn ich das Geld dafür hätte, würde ich mir sofort einen kaufen.

Auch der BMW Z4 ist heute noch sehr beliebt bei den Fans in der Grünen Hölle, woran liegt das aus deiner Sicht?

Das liegt zum einen an seiner ungewöhnlichen Optik, das ist eines der kürzesten GT3-Autos, das überhaupt gebaut wurde. Und der Sound ist einmalig. Wenn man das Auto einmal an der Strecke gehört hat, dann weiß man, warum es so geliebt wird von den Fans.

Am 4. Juli 2015 habt ihr mit dem BMW Z4 GT3 in der Besetzung Felipe Fernándes Laser, Jesse Krohn und Michela Cerruti bei der 46. Adenauer ADAC World Peace Trophy euren ersten VLN-Lauf gewonnen. Wie war das damals?

Das war für uns der erste kleine Meilenstein, den wir gesetzt haben. Weitere sind gefolgt. Das war sehr emotional für mich. Für uns war es sozusagen der Durchbruch im GT3-Sport. Das kann man klar so sagen.

War der Gesamtsieg der 70. Ausgabe des 24-Stunden-Klassikers in Spa-Francorchamps durch Philip Eng, Tom Blomqvist und Christian Krognes im letzten Jahr der größte Moment in der Geschichte von Walkenhorst Motorsport?

Das war mit Sicherheit bisher der größte Meilenstein. Ich kann mich noch gut an die Presseberichte im Vorfeld erinnern. Es war eigentlich klar, dass wir nicht in den Kreis der Favoriten gehörten, aber wir wurden gar nicht erwähnt. Und wenn du dann in den letzten vier Stunden deinen Namen im Stream und bei den Reportern häufiger hörst, das ist eine psychische Belastung. Am Anfang wurde der Name des Teams von den Belgiern und Franzosen noch falsch ausgesprochen, und irgendwann dann so wie er wirklich ist. Die Anspannung hat sich gesteigert, bis wir über die Ziellinie gefahren sind. Da habe ich dann einen Freudensprung gemacht. Eine Last fiel von mir ab.

Wann kommt der erste VLN-Sieg mit dem M6?

Bei VLN4 haben wir es verpasst. Da hatten wir die Chance. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in der VLN in diesem Jahr einmal ganz oben auf dem Treppchen stehen dürfen.

Als Fahrer hast Du 2010 auf 2011 den Sprung von einem Renault Clio auf den M4 GT4 vollzogen. Zwei Jahre später, 2012 auf 2013, dann den hin zum Z4 GT3. Wie unterscheiden sich die Herausforderungen Clio, GT4 und GT3?

Das ist schon eine wahnsinnige Weiterentwicklung. Ein Clio ist ein ganz anderes Auto als ein mit der Hinterachse getriebener GT4. Im GT3 darf man dann als Pilot ein ganz anderes Fahrverhalten erleben. Da muss man sich an die Aero-Bereiche langsam rantasten. Dafür ist die Nordschleife prädestiniert.

Fahrer und Teamchef an einem Rennwochenende – das klingt spannend. Bekommst Du überhaupt mit, was mit den anderen Autos passiert, wenn Du selber als Fahrer in das Rennen involviert bist?

Du fährst ja nur ein, zwei Stints selber. Den Rest eines Vier-Stunden-Rennens bekommst du als Teamchef natürlich mit. Wenn du im Auto drinsitzt, bekommst du zudem auch die eine oder andere Information vom Ingenieur über Funk mit, wenn du möchtest. Am besten ist es immer, wenn man unterwegs kein Auto sieht, dann weiß man, dass sie laufen.

Was freut Dich mehr, dein persönlicher Erfolg als Fahrer oder der des Teams?

Für mich ist das Team entscheidend, nicht der Fahrer. Ein ambitionierter Hobbyfahrer wie ich es bin, der hat ja gar nicht die Chance, auf dem großen Podest zu stehen. Ich finde es gut, dass dieses Jahr die Pro-Am und die Am aufgewertet wurden und dass da auch der eine oder andere Pokal oder Siegerkranz mal rausgegeben wird. Das macht dann schon Spaß. Ich freue mich aber deutlich mehr, wenn das Team oben steht, als wenn ich als Fahrer wie bei VLN4 die AM-Klasse gewinne.

Für Walkenhorst starten namhafte Piloten – sitzt Du manchmal mit denen zusammen, um deine eigenen Fähigkeiten weiter auszubauen? Schaust Du dir deren Telemetrie-Daten an? Oder holst Du dir Tipps?

Unsere Daten-Ingenieure vergleichen das schon. Die Frage ist auch nicht, ob ich das begreife, sondern, ob ich das umsetzen kann oder möchte. Ich weiß schon, wo ich schneller und langsamer bin, weil die Technik das hergibt. Ich bin aber dann an dem Punkt, wo ich sage, ich verstehe es, ich weiß, das Auto geht da schneller, aber dann muss man auch die dicken Eier in der Hose haben, es zu machen. Die Autos sind heute komplett überwacht. Wir sehen alles. Du kannst nicht mehr wie früher sagen, da an der Hohen Acht lag ein Hase auf der Straße, da konnte ich nichts für. Das gibt es heute nicht mehr. Das wissen die Fahrer auch.

Wo liegt der Unterschied zwischen Christian Krognes und Henry Walkenhorst?

Wir sind beide auf der Nordschleife groß geworden. Er ist ein absoluter Spezialist auf dieser Strecke. Er hat dieses letzte Quäntchen mehr, dass ein professioneller Fahrer in der Grünen Hölle mitbringen muss. Uns kann man nicht miteinander vergleichen. Vielleicht habe ich, wenn ich im Auto sitze, auch ein bisschen mehr Verantwortung im Kopf. Um es auf den Punkt zu bringen, ich könnte nie so schnell fahren wie er oder ein David Pittard. Das ist aber auch gar nicht Sinn und Zweck der Sache.

Eine Fangfrage: Was ist ihre Lieblingsstrecke und warum?

Das ist die Nordschleife, da bin ich groß geworden. Als ich mit meinem Vater das erste Mal in die Eifel gefahren bin, war ich sieben oder acht Jahre alt. Irgendwann ist man infiziert. Wenn man Spaß daran hat, schnell mit Autos oder Rennen zu fahren, dann will man einfach über diese legendäre Strecke rasen. Ich bin schon einige Strecken gefahren in meinem Leben, die waren alle toll, alles war schön, aber man bleibt an der Nordschleife hängen, weil es die geilste und anspruchsvollste Rennstrecke der Welt ist.

Wie lange werden wir den Rennfahrer Henry Walkenhorst noch auf der Strecke erleben dürfen?

Mein Vorbild ist Otto Klohs, er ist, glaube ich, noch ein paar Jahre älter als ich. Spaß beiseite. So lange das physisch und psychisch noch möglich ist, fahre ich gerne noch ein bisschen im Kreis. Wenn ich mich irgendwann nur noch blamiere, dann lasse ich es.