„Du bist ein Mädchen, spiel lieber Klavier“

Eve Scheer wurde bekannt als Schauspielerin, später machte sie sich einen Namen als Moderatorin. Die Leidenschaft der gebürtigen Kölnerin gehört aber dem Motorsport. Acht Jahre lang war sie selber als Pilotin auf den Rennstrecken dieser Welt in diversen Markenpokalen unterwegs. Aber auch seit 16 Jahren verfolgt sie mit großer Begeisterung in der Box die Rennen ihres Ehemannes Frank Stippler, wie zuletzt beim Saisonauftakt der VLN. Wir haben uns mit Ihr über ihre verschiedenen Rollen unterhalten. 

Du bist früher unter anderem in der VLN, im Porsche Sports Cup mit einem 996 GT3 Cup, in der Mini Challenge oder im Alfa 147 Cup Rennen gefahren. Wie sehr fehlt Dir der Adrenalinkick auf der Strecke heutzutage? 

Dank meines Ehemannes, der sich mein Klagen nicht mehr anhören konnte, saß ich letztes Jahr mal wieder im Rennwägelchen – einem historischen Alfa Romeo GTAm in Assen im Rahmen der FHR-HTGT. Ich habe das über die Jahre schon sehr vermisst.

Auf Dauer war die Zuschauerrolle also doch nichts für Dich?

Ich bin gerne Fan. Ich bin gerne auch mal nur Zuschauerin. Und so nach sechs Jahren Pause war ich eigentlich entspannt. Da waren die ersten zwei Jahre noch etwas schwieriger. Aber, wenn du so wie ich, so ein großes Herz für den Motorsport hast, dann juckt es natürlich, selbst am Steuer zu sitzen. Umso schöner dann 2018 die Überraschung mit dem Fahrerplatz.

Wie war es? Lass uns teilhaben an deinem Erlebnis?

Das war so richtig „Back to the Roots“. Kein technischer Schnickschnack, kein ABS, keine Traktionskontrolle, keine Schaltwippe, nix. Das war einfach ein leichtes Auto, Heckantrieb und genügend PS für die ganze Geschichte. Die Bedingungen in Assen wechselten ständig von trocken zu nass und wieder trocken. Und trotzdem fährst du natürlich mit einem Reifen das Rennen durch. Das hat Spaß gemacht. Spannend war auch, wie bunt das Feld mit den verschiedenen Marken und Klassen ist. Und dazu war es viel entspannter als in den Markenpokalen. Es herrschte eine tolle familiäre Atmosphäre.

Auch privat bist du eher Old School unterwegs…

Ja, wenn ich nicht gerade 600 Kilometer irgendwo hinfahren muss, dann cruise ich gerne in meinem Fiat 500 aus den 60ern oder meinem Porsche aus den 70ern rum. Das ist auch ein großes Hobby von mir.

Wie kam es damals zu deinem Abschied aus dem Cockpit?

Mein Mann und ich sind viele Jahre parallel Rennen gefahren. Er in den Profi-Rennserien und ich in meinen Markenpokalen oder beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring, aber natürlich auf einer ganz anderen Ebene. Trotzdem habe ich immer versucht, von ihm zu lernen, wie man es halt richtig macht, zum Beispiel wie man sich auf ein Rennwochenende vorbereitet, worauf man bei der Streckenbesichtigung achtet, wie die Datenanalyse funktioniert. Allerdings hatte ich auch damals schon das Glück, dass ich viele tolle Events moderieren durfte und zudem zeitweise die DTM und die FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft über fünf Jahre parallel begleitet habe. Ich bin nach Japan, China und Amerika überallhin mitgereist. Irgendwann musste ich mich entscheiden, dass ich mit meinen Moderationen meine Brötchen verdiene. Deswegen musste der Motorsport leider etwas pausieren. Ich bin auch kein Fan davon mal ein oder zwei Rennen nur zu fahren. Dafür sind die Abstände in den Markenpokalen zu eng. Und die Rote Laterne wollte ich da ja auch nicht gerne spielen.

Fieberst Du bei den Rennen deines Mannes mit? Wie ergeht es Dir, wenn er fährt?

Für mich ist mein Mann ein absoluter Ausnahmepilot. Es gibt unheimlich viele so talentierte Rennfahrer. Und zugegeben, von einigen seiner Teamkollegen könnte er inzwischen der Papa sein. Aber er hat dennoch immer noch den Speed und die Konstanz, um Siege einzufahren. Gleichzeitig unterstützt er mit seinem technischen Hintergrund als Ingenieur und gelernter Mechaniker seit vielen Jahren Audi-Teams bei der Entwicklung des R8 und deren Nachwuchsrennfahrer. Für mich ist diese Doppelaufgabe sehr beeindruckend. Also man merkt, dass ich ein großer Fan von meinem Mann bin. Ich fiebere auch nach so vielen Jahren immer noch richtig mit. Ich freue mich mit ihm und ich leide auch mit, wenn es mal nicht so gut läuft.

Hast Du ihn auch schon mal kritisiert für einen Fehler oder ein Manöver auf der Strecke?

Auf gar keinen Fall. Das nehme ich mir nicht heraus. Da weiß er selbst am besten einzuschätzen, wenn etwas falsch gelaufen ist.

Wie siehst Du die Rolle der Fahrerinnen im Motorsport? 

Es gibt ja die FIA Women in Motorsport Commission, in der sich unter anderem Susi Wolff sehr engagiert, um junge Mädchen schon für den Kartsport zu begeistern und weiter zu fördern. Das finde ich großartig! Allerdings bin ich selbst kein großer Fan von zum Beispiel reinen Ladies-Teams oder reinen Frauen-Serien, wo es ausschließlich um Marketingzwecke geht und nicht wirklich um die Ausbildung und Förderung der jungen Nachwuchsrennfahrerinnen. Ich finde, wenn man sich für Höheres bewerben will, dann sollte man sich immer im kompletten Motorsportumfeld beweisen und das wenn möglich auch gegen die Jungs, um dann sagen zu können: „Hey, ich bin besser als du und nicht nur besser als das andere Mädchen.“ Aber so hat jeder eine eigene Meinung zu diesem Thema.

Haben Frauen denn die gleichen Voraussetzungen um im Motorsport erfolgreich zu sein?

Ich denke schon. Vielleicht muss man als Frau an der einen oder anderen Stelle mehr arbeiten, zum Beispiel was die körperliche Fitness angeht, oder auch auf der mentalen Seite. Damit man es wirklich auf der allerletzten Rille durchzieht, volles Risiko geht und den Kopf ausschaltet. Man darf sich eben von nichts und niemandem ablenken lassen. Die Konkurrenz schläft ja nicht. Es gibt so viele schnelle Jungs, die schon früh von der Familie gefördert werden. Gerade was diesen Rückhalt angeht, sind die Jungs oftmals im Vorteil. Meine Eltern haben mich damals auch nicht ins Kart gesetzt und ich hab mir anhören müssen, wie viel passender doch für mich als Mädchen das Klavierspielen oder Ballett wäre.

Deine Eltern haben Dich also nicht ins Kart gesetzt. Wie bist du dann im Motorsport gelandet?

Ich habe trotzdem mit dem Ballett aufgehört und erstmal Basketball gespielt. Mit 16 Jahren kam dann der Roller-Führerschein dazu, zwei Jahre später der Motorrad- und Autoführerschein. Den Traum vom Motorsport konnte ich mir erst viel später erfüllen. Ich war viel auf Trackdays unterwegs, habe Fahrer- und Lizenz-Lehrgänge absolviert. Durch meine TV-Kontakte wurde mir ein Gaststart im Alfa-147-Cup ermöglicht, daraus sind dann vier Jahre mit Alfa geworden. Ich war also alles in allem viel zu spät dran. Trotzdem kamen die Mini-Challenge, der VW Scirocco Cup und eine Saison im Porsche Sports Cup hinzu. Ich hatte ganz schön großes Glück, so als Hobby-Racerin unterwegs sein zu dürfen.

Deine erste Hauptrolle als Schauspielerin war die der „Sarah Engel“ in der Daily Soap „Unter Uns“ auf RTL. Wirst Du da heute noch drauf angesprochen?

Es wird seltener. An der Rennstrecke kennt man mich doch eher durch die Moderationen oder das Racing. Hin und wieder kommt es bei Veranstaltungen noch mal vor, dass mich jemand aus meiner Unter Uns-Zeit erkennt. Die jüngere Generation, die damals Fernsehen geguckt hat und jetzt erwachsener geworden ist. Es wird zwar immer über Soaps geschimpft, aber ich habe da unheimlich viel gelernt, was Disziplin und Flexibilität angeht. Das hat mir Türen geöffnet. Ich bin also sehr dankbar für die zweieinhalb Jahre. Allerdings bei diesen ganzen Reality- und Doku-Soaps heutzutage, da schalte ich ganz schnell weg.

Was fällt Dir spontan zur Nordschleife ein?

Das ist einfach die schwierigste Rennstrecke der Welt und deshalb auch die schönste. Ich bin ja weltweit unterwegs, egal, ob du in Japan oder in Amerika über die Nordschleife sprichst. Da brauchst du auch gar nicht Green Hell zu sagen. Das ist der Mythos. Es ist nicht so eine Retorten-Formel-1-Strecke mit ewig langen Auslaufzonen, wo jeder Fehler verziehen wird. Auf der Nordschleife musst du so präzise sein und du musst vor ihr immer Respekt haben. Die Rennfahrer sagen immer sie geben hundert Prozent. Ich glaube, auf der Nordschleife ist es besser nur 99 Prozent zu geben. Dass man dieses eine Prozent noch Luft hat.

Kommen wir zum aktuellen Stand der Dinge. Du steigst jetzt auf zwei Räder um. Du moderierst für Servus TV die Rennen der MotoGP….

Das ist ein ganz neues Feld und eine große Herausforderung für mich nach über 15 Jahren Moderation im Motorsport auf vier Rädern. Allerdings bin ich früher selber Motorrad gefahren. Meine allererste Runde auf der Nordschleife war sogar auf dem Motorrad. Und das auch noch hinten drauf. Zu der Zeit hatte ich echt einen Nagel im Kopf. Die MotoGP kenne ich aus dem TV aus der Zeit, als noch Biaggi, Checa und Rossi gegeneinander gefahren sind. Als ServusTV im Herbst letzten Jahres anrief und mich für Ihr MotoGP On-Air-Team haben wollte, habe ich gleich Ja gesagt! Die MotoGP ist Motorsport vom Allerfeinsten. Und das in allen drei Klassen. Da zeigen Fahrer sogar mit Rippenbrüchen, Schlüsselbeinverletzungen oder jeder Menge Titan und Schrauben im Körper so crazy gutes Racing bis zur allerletzten Kurve. Das ist einmalig. Die MotoGP ist die einzige Rennserie, für die ich mir auch nachts den Wecker stelle. Das mache ich bei der Formel 1 leider schon lange nicht mehr.