„Ein Volker Strycek soll keine Ahnung haben?“

Ralph-Gerald Schlüter, seit dem 1. Januar 2018 neuer Generalbevollmächtigter der VLN OHG, über die Wirtschaftlichkeit der VLN, deren weitere Professionalisierung und die Kommunikation mit den Teams.

Wofür entwickelt Ralph-Gerald Schlüter Leidenschaft? Für welche Ideen, Überzeugungen, Aufgaben brennt der neue Generalbevollmächtigte der VLN?
Meine Grundleidenschaft gilt dem Motorsport, sie begleitet mich schon mein ganzes Leben. Die VLN liegt mir sehr am Herzen, nicht nur deshalb, weil ich jahrelang in der VLN Rennen gefahren bin, sondern auch, weil ich sie für eine einmalige und weltweit konkurrenzlose Rennserie halte. Die VLN hat in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung genommen, sie ist insgesamt viel professioneller geworden.

Genau deshalb steht die VLN bei manchen in der Kritik.
Diese Kritiker meinen, die VLN werde zu professionell. Denen kann ich nur entgegnen: Erst durch die kontinuierliche Professionalisierung ist es überhaupt möglich, eine so komplexe Rennserie wie die VLN zu betreiben und sie eine sichere Zukunft zu führen. Es gibt einige Leute, die die VLN alter Tage geradezu glorifizieren, die VLN mit einer Hand voll richtig schneller Top-Autos, die vornewegfuhren, und dahinter einer breiten Masse an mittelgroßen und kleinen, meist auch seriennahen Fahrzeugen. Eine VLN dieses Formats, das ist ganz sicher, kann heute nicht mehr existieren. Zum einen ist es mit wahnsinnig hohen Kosten verbunden, die VLN mit mittlerweile neun Rennen auf der Nürburgring Nordschleife durchzuführen. Zum anderen gibt es die Kundschaft der reinen Privatfahrer, die ihre Autos selber aufbauen und dann in der VLN einsetzen, heute nicht mehr in der Quantität wie vor 20 oder 30 Jahren. Und das eine ist die Folge des anderen.

Was heißt das konkret?
Das bedeutet konkret, dass wir die VLN nur deshalb finanzieren können, weil wir viele große Fahrzeuge, allen voran GT3-Autos am Start haben, für die die Teams wesentlich höhere Startgelder zahlen. Viele sagen immer: Ihr habt doch viel weniger Starter als früher. Ich sage: Die Gesamtzahl der Autos, die in ein VLN-Rennen starten, ist nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist die Struktur des Starterfeldes. Das Nenngeld für ein GT3-Auto in den Kategorien Professionals und Premium der Klasse SP9 liegt bei 4.000 Euro, für ein Auto in den Einsteigerklassen V1 bis V4 bezahlt ein Team nur 500 Euro. Ein GT3-Auto finanziert also vier, fünf, sechs, sieben kleinere Fahrzeuge mit. Das ist das Wesentliche. Die VLN gibt es nur, wenn sie wirtschaftlich gesund ist – und die VLN ist heute wirtschaftlich gesund. Meine Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, dass sie das auf viele Jahre hinaus auch bleibt. Und dafür muss sie an einigen Stellen weiter professionalisiert werden.

Wo sehen Sie die Zukunftspotenziale der VLN?
Wie sich die VLN weiterentwickeln wird, nicht nur sportlich, sondern auch, wie ich dargelegt habe, wirtschaftlich, hängt in besonderem Maße davon ab, wie es mit der GT3 weitergeht. Sind die GT3-Autos irgendwann nicht doch zu schnell für die Nordschleife? Sind die Kosten für deren Einsatz irgendwann nicht doch zu hoch, selbst für Profiteams? Was kommt danach? Und da sehen wir vor allem in der GT4 und in der TCR die Klassen mit großem Zukunftspotenzial. Wir müssen die Serie so attraktiv wie möglich gestalten, um einerseits genügend Autos am Start zu haben, um andererseits aber auch möglichst viele Werbepartner und Zuschauer zu begeistern. Bereits heute nehmen wir viel Geld über Sponsoring ein. Das sehe ich als Hauptaufgabe für die Zukunft.

Kann die VLN mit der GT4 und der TCR die Einbußen bei den Nenngeldeinnahmen überhaupt kompensieren, wenn irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, die GT3-Autos in viel geringerer Anzahl oder gar nicht mehr am Start sind?
Dann müssten wir das Startgeld in allen Klassen erhöhen. Jedenfalls müssen wir dafür sorgen, dass wir mit der GT4 und der TCR die Attraktivität der VLN erhalten.

Die Anzahl der Autos, die 2018 in der SP10 und in der TCR-Klasse an den Start gehen, ist doch sehr übersichtlich.
Die Starterzahlen in diesen beiden Klassen könnten besser sein, ja. In dieser Saison haben wir mit mehr Autos gerechnet. Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der im Vergleich zur GT3 kostengünstigeren GT4-Autos kontinuierlich zunehmen wird. Und was die TCR anbelangt, so wird es sicherlich durch die Zweitverwertung der Autos auch einen entsprechenden Aufschwung in der VLN geben.

Wo sehen Sie aktuell die großen Defizite in der VLN?
Anfang des Jahres haben wir sicherlich Fehler in der Kommunikation mit den Teams gemacht. Dass wir die Teams relativ spät erst über die Reglementänderungen informiert haben, lag daran, dass wir das gesamte technische Reglement der VLN über den Winter neu strukturiert und umgeschrieben haben. Das hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen und die Veröffentlichung hinausgezögert. Die Teams haben das – zurecht – beklagt. Die komplette Überarbeitung des technischen Reglements ist eine einmalige Sache, wird es also in Zukunft nicht mehr geben. Wir nehmen jede sachlich vorgetragene Kritik ernst und lernen aus unseren Fehlern. Dort, wo wir noch besser werden können, werden wir sofort tätig. Das betrifft auch bestimmte Abläufe in der Organisation und im Management, zum Beispiel bei der Streckensicherung durch die Sportwarte, bei der Dokumentenabnahme, bei der Technischen Abnahme. Diese Bereiche müssen wir weiter professionalisieren.

Wir beurteilen Sie die aktuelle Stimmung unter den Teilnehmern in der VLN?
Im Großen und Ganzen gut.

Bei den Teilnehmern in den Produktionswagen-Klassen, insbesondere in der V4, gab es doch reichlich Unmut, Diskussionen und Missstimmung.
In der V4 gab es zu Beginn des Jahres Querelen. Ende letzter Saison war es in dieser Klasse gegen ein Team zu einem Protest gekommen, dem auch stattgegeben wurde. Bei dem Protestverfahren stellte sich heraus, dass nicht nur in den Fahrzeugen des betroffenen Teams, sondern auch in vielen anderen Autos der V4 Fahrwerksteile verbaut waren, die nicht reglementkonform sind. Daraufhin hat Volker Strycek, unser Leiter Technik, mit seinen Kollegen in der VLN das technische Reglement der V4 wesentlich genauer verfasst. Dabei ging es konkret um die Art der  Stoßdämpferbefestigungen, um die Verwendung von Originalersatzteilen und um den Einsatz eines Sperrdifferenzials.

Daraufhin gab es einen Riesenaufschrei aus der V4.
Es gab Protestschreiben und Unmutsbekundungen, auch in den Sozialen Medien. Einzelgespräche und Sitzungen folgten auf Einzelgesprächen und Sitzungen, bis wir die Angelegenheit final klären konnten. Das Thema wurde von den betroffenen Teams hochgekocht. Missstimmung herrschte in der V4, in der Wahrnehmung von außen sah es dann aber fast so aus, als betreffe es die komplette VLN. Mittlerweile sehe ich das Ganze entspannt. Aus den vielen Gesprächen während der ersten Rennen habe ich die Wahrnehmung, dass wir keine schlechte Stimmung in der VLN haben. Dieser Eindruck hat sich mir auch in dem Briefing mit allen Teamchefs, das wir vor dem Start in die neue Saison erstmals durchgeführt haben, bestätigt.

Haben Sie Inhalt und Ton in der Auseinandersetzung mit den Teamchefs und Fahrern aus der V4-Klasse überrascht?
Ja, sehr. Sie hantierten mit halbwahren und teilweise auch falschen Informationen und Behauptungen, um ihre Position zu rechtfertigen. Unter ihnen gab es nur wenige, die sich um eine sachliche und zielorientierte Diskussion mit der VLN bemühten. Einige verloren sogar jeglichen Respekt und Anstand, sie bezichtigten die Führung der VLN der kompletten Ahnungslosigkeit. Das ist unannehmbar. Volker Strycek, zum Beispiel, ist Rennfahrer und Techniker mit einer jahrzehntelangen Erfahrung. Und ein Volker Strycek soll keine Ahnung haben?

Das komplette Interview, geführt von Egon Zeimers, gibt es im VLN-Fanguide. Auf 92 Seiten bietet die 2018er-Ausgabe für alle Fans der Serie einen umfassenden Überblick, zeigt alle Autos, Interviews und vieles mehr. Zum Preis von 5 Euro ist das Hochglanzheft am VLN-Fanshop im Fahrerlager erhältlich.