Wieder Klassenbester – Musterschüler Ralf Schall

Es war das erste Rennen der VLN-Saison 1994, die Saison, in der Andreas und Ralf Schall erstmals im DTM-Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution II auf dem Nürburgring an den Start gingen. Die Bedingungen für die Premiere waren alles andere als günstig: Dichtes Schneetreiben machte den Teilnehmern auf der Nordschleife schwer zu schaffen. Das Vater-Sohn-Duo ließ sich aber nicht beirren und feierte den Gesamtsieg. Für Ralf Schall war es gleichzeitig der erste Klassensieg seiner Karriere.

„Und der bis heute schönste“, bekennt er. 22 Jahre später, beim Auftakt der VLN-Saison 2016 Anfang April, fuhr Ralf Schall nun seinen 83. Klassensieg ein. Damit ist der Mann aus Dornstadt bei Ulm in dieser Statistik wieder die alleinige Nummer eins, mit einem Sieg mehr als der Zweitplatzierte. „Ich hatte schon mal mehr Vorsprung, dann haben die Verfolger gleich gezogen. Jetzt führe ich wieder“, freut sich Schall, der in seiner 27-jährigen VLN-Karriere schon in nahezu jeder Klasse am Start war und viele unterschiedliche Autos diverser Marken über die Nordschleife pilotierte.

„Ich bin gefahren wie ein Bekloppter, und trotzdem wurde mein Rückstand ständig größer“, erzählt Ralf Schall augenzwinkernd von jenem ersten Rennen der Saison 1994. „Als ich nach dem Rennen in die Box gefahren bin, haben trotzdem alle gejubelt.“ Was der damals 22-Jährige bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Ein Minus auf der Boxentafel heißt: Rückstand, und ein Plus bedeutet: Vorsprung. Das hatte er verwechselt. Obwohl er mit dem 190er mehr als 20 Jahre regelmäßig in der VLN unterwegs war, ist der ehemalige DTM-Mercedes nicht Ralf Schalls absolutes Lieblingsauto. Auch sein erstes Arbeitsgerät aus dem Jahr 1989, ein Honda Civic, bekommt von ihm nicht diese Auszeichnung. Die geht, ganz ohne Zweifel, an den Opel Astra V8 Coupé, ebenfalls ein ehemaliges DTM-Fahrzeug, das vom Ex-Opel-Sportchef Volker Strycek speziell für die Schalls abgestimmt worden war. „Ich habe schon in vielen Fabrikaten gesessen. Porsche, BMW Alpina, Lamborghini, Mercedes oder BMW. Aber der Opel ist das geilste Auto, das ich in meiner gesamten Karriere fahren durfte. Der Spaßfaktor war ungemein hoch“, schwärmt Schall noch heute.

Von 1990 bis 2014 bildeten Vater und Sohn Schall ein bestens eingespieltes Team, über 20 Jahre lang kämpften sie in erster Linie in den großen VLN-Klassen um den Gesamtsieg. Deren fünf stehen für die beiden zu Buche. Später setzten sie die Ex-DTM-Autos regelmäßig in der Gruppe H ein. Das ist einer der Gründe, weshalb Ralf Schall bis heute der Meisterschaftstitel verwehrt blieb. „Natürlich wäre ich gerne einmal Meister geworden“, gesteht er, „aber entweder war die Leistungsdichte in der Klasse einfach zu groß oder die Klasse von der Teilnehmerzahl her zu klein.“

Nachdem sich Vater Andreas seit 2015 auf Youngtimer konzentriert („Er hat den Helm noch nicht an den Nagel gehängt“), versuchte es Ralf Schall letzte Saison im BMW M235i Racing Cup und teilte sich das Cockpit mit Mario Merten. Ein Klassensieg und vier zweite Plätze standen in der sehr hart umkämpften Cup-Klasse am Ende auf der Habenseite: Vize-Meister in der Cup-Wertung und Platz acht in der VLN-Meisterschaft.

Dass er diese Meisterschaftsplatzierung in diesem Jahr toppen kann, ist eher unwahrscheinlich. Gemeinsam mit Christopher Gerhard startet Ralf Schall 2016 im Porsche 997 GT3 Cup für TAM-Racing in der Klasse H4; den ersten Lauf der Saison beendete er standesgemäß als Klassensieger – und setzte sich wieder an die Spitze der ewigen Tabelle.

„Ich habe in der Vergangenheit häufig mit Chris-topher telefoniert. Anfang dieses Jahres haben wir dann beschlossen, es einfach mal gemeinsam zu probieren“, erzählt Schall, für den das neue Team keine unbekannte Größe ist. „Da arbeitet ein großer Teil meines alten Teams. Ich fühle mich also wie Zuhause. Das sind Jungs, die seit Jahren voll hinter mir stehen. Auch wenn es mal nicht so gut lief. Dafür bin ich ihnen wirklich sehr dankbar.“ Und: „Ohne sie wäre das Ganze ja gar nicht möglich. 81 von meinen 83 Klassensiegen habe ich mit einem selbst vorbereiteten Auto geholt.“

Für den 46-Jährigen ist das Ende der Karriere noch lange nicht in Sicht, zumal er sich in der VLN, trotz zunehmender Professionalisierung, pudelwohl fühlt. „Ich gehöre nicht zu denen, die behaupten, dass früher alles besser gewesen sei“, betont Ralf Schall. „Gerade die Änderungen auf Initiative von Dirk Adorf und Olaf Manthey bei Permit und Code 60 finde ich absolut richtig und wichtig. Nach mehreren Anläufen hat das VLN-Reglement in dieser Saison Hand und Fuß.“ Für Ralf Schall ist ganz klar: „Dass gerade in den großen Klassen die Professionalität zunimmt, tut der VLN ebenfalls gut. Es sind sehr viele SP9-Autos am Start – und das spricht doch eindeutig für die Serie. Das oft zitierte familiäre Umfeld ist am Ring trotzdem noch vorhanden.“

Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass Ralf Schall in naher Zukunft bei den Klassensiegen die magische 100er-Grenze knacken wird. Zumal er weiß, dass die Tabelle erst Daten seit 1990 berücksichtigt. „Ich gucke schon hin und wieder da drauf. Mir ist aber klar, dass mein Vater in Wirklichkeit noch ein ganzes Stück vor mir liegt. Er hat derzeit nur drei Klassensiege weniger als ich, hat mit unserem Ford Escort RS 2000 aber schon viele davon vor dem Jahr 1990 eingefahren. Da muss ich noch einiges leisten. Aber ich fahre ja noch einige Jahre …“