Privilegiert und leidenschaftlich

Kenneth Heyer genießt Privilegien, um die ihn viele Motorsportler beneiden.Wann immer er sich in den vergangenen Jahren in ein Cockpit setzte, verfügten sowohl seine Teamkollegen als auch sein Auto über Sieg-Potenzial. „Es ist schon unglaublich, dass ich unter diesen Top-Bedingungen Rennen fahren darf“, sagt Heyer, der auf der Langstrecke zu Hause ist und dessen Terminkalender in diesem Jahr rund 30 Rennveranstaltungen aufweist. Weltweit bestreitet er 24h- und 12h-Rennen, feierte zahlreiche Siege und stand bei fast jedem schon auf dem Podium. Die Motorsport-Gene wurden ihm eben in die Wiege gelegt, ist sein Vater doch kein geringerer als Rennsport-Legende Hans Heyer. Und doch sah es bei Sohn Kenneth in seiner Jugend nach einer ganz anderen Karriere aus. Denn auch in Sachen Talent scheint Heyer im Vergleich zu vielen seiner Mitmenschen privilegiert.

In jungen Jahren war Heyer ein vielversprechender Fußballer, spielte für die Jugend-Nationalmannschaft und stand unter anderem beim 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach sowie dem MSV Duisburg unter Vertrag. Doch der heute 35-Jährige wiegelt ab: „Ich war der totale Kämpfer, ein reiner Arbeiter. Das habe ich zwar ganz gut gemacht, aber ich glaube nicht, dass auf mich eine große Karriere gewartet hätte. Deshalb habe ich das zum neuen Jahrtausend auch sehr drastisch und unkonventionell beendet.“ Motorsport – viel mehr Kartrennen – absolvierte Heyer zuvor bestenfalls nur so nebenbei. Die freigewordenen zeitlichen Kapazitäten nutzte er, um seine Fähigkeiten hinter dem Lenkrad weiter auszutesten. Heyer: „Da war aber absolut kein Gedanke an professionellen Motorsport dahinter. Das war just for fun.“ Seine erste VLN-Saison absolvierte er im Jahr 2004 und belegte im Seat Leon Supercopa auf Anhieb den dritten Platz – das erste Podium in seinem Rennfahrer-Leben. Seine Karriere hatte endgültig Fahrt aufgenommen, nur zwei Jahre später ergatterte er bei Langstreckenrennen die ersten GT3-Cockpits; der Porsche 996 GT3 Cup, die Dodge Viper GTS GT3, der Ford GT und der Audi R8 LMS waren in der Folgezeit nur einige seiner Arbeitsgeräte. Seit dem Jahr 2011 ist er als SLS-AMG-GT3-Fahrer unterwegs und geht bei zahlreichen Rennen im Flügeltürer an den Start.

Natürlich auch in der VLN, denn laut Heyer ist der Nürburgring „die beste, aber auch gefährlichste Strecke der Welt. Die VLN hat bei mir einen extrem hohen Stellenwert. Vor jedem Rennen ist mein Respekt vor dieser Strecke nach wie vor sehr groß. Dort zu fahren ist das Beste der Erde, danach kommt erst einmal Lichtjahre lang gar nichts.“ Auf einen Rennsieg wartet der 35-Jährige bis heute noch vergebens, sein bestes Ergebnis im SLS war der dritte Gesamtrang Anfang April 2011 – sein erstes VLN-Rennen im Mercedes-Benz. Bei seinen vergangenen zwei Versuchen in der ‚Grünen Hölle’ saß er unter anderem mit seinem Kumpel Lance-David Arnold zusammen in einem Cockpit – zwei Mal sprang der sechste Gesamtrang heraus. Heyer: „Wir sind befreundet und so eine Art Nordschleifen-Spezialisten. Dementsprechend fügt sich es sportlich wie menschlich oft bei uns zusammen.“ Generell aber sind beide auf die Anrufe der unterschiedlichen Teams angewiesen, um sich auf der Rennstrecke behaupten zu dürfen. Von diesen Anrufen erhält Heyer jedoch viele. „Ich leiste halt auch einige Arbeit außerhalb des Cockpits. Als Rennfahrer reicht es heutzutage meist nicht mehr ausschließlich schnell unterwegs zu sein. Man benötigt beispielsweise auch einen großen Fundus in Sachen Politik und Marketing – wie bringt man ein Team nach vorne? Ich glaube, mein Paket ist da ganz gut.“

In naher Zukunft freut sich Heyer besonders auf seinen ersten Einsatz im neuen Mercedes-AMG GT3 und möchte in den weiteren Jahren noch einige Erfolge in seiner Vita verbuchen. Vor allem der Sieg beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring gehört zu seinen großen Zielen. Heyer: „Das wäre schon großartig. Wenn ich jetzt aber mal so zehn Jahre weiter denke, kann ich mir definitiv vorstellen auch in kleineren Autos eine komplette VLN-Saison zu bestreiten. Der BMW M235i Racing Cup zum Beispiel wäre eine coole Sache.“